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Ein Gedicht zum Wochenende – „Das Geheimnis“ von Friedrich Schiller

Ein Gedicht zum Wochenende – „Das Geheimnis“ von Friedrich Schiller
Friedrich Schiller (1759-1805) Ölgemälde von Ludovike Simanowiz 1793/94. Public domain, via Wikimedia Commons

Baden-Baden, 04.05.2024, Bericht: Redaktion Diese kleine goodnews4-Serie hilft vielleicht zu erkennen, dass nichts so flüchtig ist wie die tägliche Nachricht.

Ein kleines Gedicht zur Inspiration, vielleicht auch zum Sinnieren und gelegentlich auch zum Schmunzeln. Ausgesucht von Christian Frietsch.

Das Geheimnis

Sie konnte mir kein Wörtchen sagen,
Zu viele Lauscher waren wach,
Den Blick nur durft ich schüchtern fragen,
Und wohl verstand ich, was er sprach.
Leis komm′ ich her in deine Stille,
Du schön belaubtes Buchenzelt,
Verbirg in deiner grünen Hülle
Die Liebenden dem Aug′ der Welt.

Von ferne mit verworrnem Sausen
Arbeitet der geschäft′ge Tag,
Und durch der Stimmen hohles Brausen
Erkenn′ ich schwerer Hämmer Schlag.
So sauer ringt die kargen Lose
Der Mensch dem harten Himmel ab,
Doch Ieicht erworben, aus dem Schoße
Der Götter fällt das Glück herab.

 

Daß ja die Menschen nie es hören,
Wie treue Lieb′ uns still beglückt!
Sie können nur die Freude stören,
Weil Freude nie sie selbst entzückt.
Die Welt wird nie das Glück erlauben,
Als Beute wird es nur gehascht,
Entwenden mußt du′s oder rauben,
Eh dich die Mißgunst überrascht.

Leis auf den Zähen kommt′s geschlichen,
Die Stille liebt es und die Nacht,
Mit schnellen Füßen ist′s entwichen,
Wo des Verräters Auge wacht.
O schlinge dich, du sanfte Quelle,
Ein breiter Strom um uns herum,
Und drohend mit empörter Welle
Verteidige dies Heiligtum.

Friedrich Schiller

Deutscher Dichter, Philosoph, Historiker und Arzt

Geboren: 10. November 1759, Marbach am Neckar
Gestorben: 9. Mai 1805, Weimar




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